In eigener Sache….

Morgen werden es genau zehn Jahre her sein, als M. Kiesewetter durch einen Mord ums Leben kam, und ihr Kollege Martin A. schwer verletzt wurde.

Heute Abend um 22.40 Uhr (für mich zu spät angesetzt) kommt in der ARD ein Film über diese Ereignisse, und möglichen Motive des Mordes. Denn eins ist klar, Mundlos und Böhnhardt haben diesen Anschlag nicht alleine wenn begangen. Es gibt zu viel Sachen, die noch aufgeklärt werden müssten.

Um diese Fakten kümmert sich dieser Film. Denn der Kollege von Frau Kiesewetter, Martin A. möchte wissen welches Motiv hinter dieser schrecklichen Tat steckt. Die Ermittler des LKA BAWÜ kamen später zur Erkenntnis, dass es sich mindestens um bis zu sechs Täter gehandelt haben muss. Doch seitdem dem 4.11.11 ist alles anders. Man hat die beiden Polizeiwaffen in dem Wohnmobil von Mundlos und Böhnhardt gefunden. Die beiden nahmen sich beim Eintreffen einer Polizeistreife sich mutmaßlich das Leben. Erst erschoss Mundlos Böhnhardt, und danach zündete Mundlos das Wohnmobil an, und dann richtete er sich selbst. Die mutmaßliche Enttarnung des NSU war perfekt.

Bei einer eigenmächtigen Begehung ohne die Spurensicherung machte der Einsatzleiter Gotha, eine interessante Entdeckung. Er fand die beiden Polizeiwaffen der beiden Polizisten.

Seit dem Tag wurde die ganze Ermittlungsarbeit einer Polizeibehörde außer Kraft gesetzt. Es waren plötzlich keine sechs Täter mehr, sondern es waren nur noch zwei. Alle Erkenntnisse die man in den Jahren davor gesammelt hatte, und mühsam zusammengetragen hatte, war plötzlich nichtig. Es hieß einfach, M. Kiesewetter und Martin A. sind ein Produkt eines Zufalls gewesen. So steht es zumindest in der Anklageschrift. Selbst der Vorsitzende des Bundestagsuntersuchungsausschusses in Berlin, glaubt nicht daran. Dieser meint „Wir haben in Deutschland so viele Polizeibeamte, und deshalb fährt man nach Heilbronn um diese Tat dort zu verüben. Das kann ich mir nicht vorstellen“.

Doch diese Fragen warum müssen gestellt werden, und genau um diesen Fakt kümmert sich dieser Film, „Der Mord an einer Polizistin“

Mit viel Auffand haben Clemens und Katja Rhia diesen Film gemacht und nachgeforscht. Haben viel Zeugen befragt. Und nun kommt ein Artikel in der Süddeutschen von A. Ramelsberger einen Tag vor dieser Ausstrahlung, und zieht dies alles in Zweifel. Man könnte fast meinen, es ist eine klare Programmansage, Leute sieht euch diesen Film nicht an. Der NSU Prozess hat diesen letzten Mord an der Polizistin nicht viele Prozesstage geschenkt. Wie man aber der Autorin in ihrem Text glauben soll, wären alle Dinge schon aufgeklärt worden vom Gericht. Da frage ich mich welche genau, hat das Gericht aufgeklärt? Der Anschlag liegt immer noch im Dunkeln genau wie das Motiv der Tat. Es ist genauso wie bei den anderen neun Morden, das man nicht genau weiß welches Motiv dahintersteht. War es nur Fremdenhass?? Und bei den Polizeibeamten Zufall?

Frau Ramelsberger tut es sich leicht in ihrem Artikel. Viele Zuseher im Prozess die vorher ihre Artikel gelesen habe, meinten später zu mir „wie diese Artikel in der Süddeutschen stehen würden, würde nichts Interessantes passieren im Gericht. Doch das ist gar nicht so. Das ist in der Tat ja so. Ich kann mich nicht wirklich erinnern, das die Süddeutsche insbesondere Frau Ramelsberger mal etwas nachgeforscht hätte, oder was in Zweifel gezogen hätte. Es ist fast wie in einem Tagebuch, was in Prozess passiert ist, aus der Sicht der Bundesanwaltschaft.

Auch Frau Ramelsberger hat versucht den Lesern schon oft den Prozess als bald zu Ende gehend zu beschreiben. Doch was kam heraus, dass dieser noch länger dauerte. Das letzte Mal geschehen als Richter Götzl den Nebenklägern und den Vertretern der Angeklagten sagte, sie müssen bis zu einem Zeitpunkt ihre Beweisanträge stellen. Da wurde gleich getwittert „dass ich das noch erleben darf, dass der Prozess zu Ende geht“. Doch es kam wieder anders. Doch die Süddeutsche hat zu Anfang schon eine quasi Reinwaschung aller Tatmotive per Film gemacht. Man hat eine Homestory bei Andreas Temme gemacht. Was damals dahintergesteckt hat, möchte man lieber nicht wissen.

Eine solche Vorverurteilung eines Filmes, finde ich persönlich ganz schlimm. Denn wenn man nicht mal Fragen aufwerfen darf und kann, die das Gericht NICHT sieht oder behandeln will, muss dies so geschehen. Es ist also kein Wunder das viele Menschen kein Vertrauen in die Presse hat. Doch gerade in dem NSU Prozess gibt es viel Journalisten, Blogger, Filmemacher die vieles Hinterfragen, und nicht der Bundesanwaltschaft folgen. Man sieht was der Südwestfunkt mit diesem Film macht. Dieser sollte morgen um 20.15 laufen, doch der Film ist zu kritisch, also bringt man lieber eine Gesundheitssendung.

Soweit ist es also schon gekommen…Traurig….

Redeverbot – Die Grüne Landtagsfraktion in Ba-Wü untersagt einem Abgeordneten, bei einer Podiumsdiskussion über den NSU-Untersuchungsausschuss aufzutreten

Redeverbot – Die Grüne Landtagsfraktion in Ba-Wü untersagt einem Abgeordneten, bei einer Podiumsdiskussion über den NSU-Untersuchungsausschuss aufzutreten

„Schweigen“ – das ist das beherrschende Motiv der Wissenden über dem uferlosen NSU-Sumpf. Sie schweigen – die Angeklagten Zschäpe, Wohlleben, Eminger. Die verdächtigen Neonazis Kapke, Dienelt, Werner. Die V-Leute Starke, Degner, Gärtner. Die Geheimdienst-Hauptamtlichen Temme, Görlitz, Schaffel. Und wie man auch mit vielen Worten schweigen kann, bewies eben erst der frühere LfV-Chef von Baden-Württemberg, Helmut Rannacher. In dieses Heer der Schweigenden wird nun jemand gestellt, dessen Bestimmung es eigentlich ist, zu reden: Ein „Parlamentarier“ aus Baden-Württemberg, der Grüne Landtagsabgeordnete Alexander Salomon, Mitglied des NSU-Untersuchungsausschusses. Zum Schweigen verdonnert hat ihn ausgerechnet seine eigene Fraktion. In gewisser Weise aber auch der Ausschuss selber. Salomon war zu einer Podiumsdiskussion in Freiburg eingeladen, hatte gerne angenommen, doch kurz vorher dann kommentarlos abgesagt. Ein bizarrer Vorgang, der an Vieles denken läßt, nur nicht an demokratische Sitten.

„Wird der Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter aufgeklärt? Der NSU-Untersuchungsausschuss – eine Zwischenbilanz“ – so der Titel jenes Abends, Veranstalter: das Freiburger Bündnis gegen Rassismus und Diskriminierung, der DGB und der AStA der Uni Freiburg. Neben Salomon sollten diskutieren: der Rechtsextremismus-Forscher Hajo Funke, Metin Erd vom Freiburger Bündnis und auch der Autor dieses Textes. Um die Ereignisse zu verstehen, die zu Salomons Absage führten, sind ein paar Vorinformationen ganz nützlich. So die, daß das Freiburger Bündnis schon lange einen NSU-Untersuchungsausschuss forderte, als sich der gesamte Landtag noch in energischer Verweigerung übte. Dann die, daß das Freiburger Bündnis im Mai einen Offenen Brief an den Ausschuss adressierte, in dem es nun dessen Arbeit offen kritisierte und den Austausch mehrerer Mitglieder nahelegte. Und schließlich die, daß Hajo Funke für den Ausschuss ein rotes Tuch ist. Als Vertrauter der Familie Heilig, dessen Sohn Florian unter nach wie vor ungeklärten Umständen an dem Tag in seinem Auto verbrannte, als er beim Landeskriminalamt (LKA) zum NSU befragt werden sollte, zwang Funke den Ausschuss in eine Konfrontation mit eben diesem LKA. Die Familie Heilig wollte nämlich Gegenstände aus dem Todesauto nicht in die Hände des LKA geben. Der Ausschuss mußte das akzeptieren.

Für das Ausschußmitglied Alexander Salomon jedoch war das alles kein Problem. Er wollte sich, im Geiste eines guten Demokraten, der Diskussion stellen, auch mit Kritikern. Allerdings wollte seine Fraktion nicht. Fragen an Salomon, warum und weshalb und wieso er abgesagt habe, beantwortet er demonstrativ mit Verweis auf „seinen Obmann im Ausschuss“, Jürgen Filius. Der könne alle diese Fragen beantworten, so Salomon. Also Frage an den Abgeordneten Filius: „Warum darf Herr Salomon nicht bei der Veranstaltung in Freiburg auftreten?“ Herr Filius will die Frage nicht verstehen, damit habe er nichts zu tun, sagt er. Nachfrage: „Aber warum meint Herr Salomon dann, Sie könnten das beantworten?“ Filius: „Salomon hat das selbständig umgesetzt.“ Moser: „Was heißt denn umgesetzt?“ Filius: „Er hat selber entschieden, nicht zu kommen.“ Moser: „Und was hat er umgesetzt?“ Filius: „Anfänglich habe ich die Veranstaltung ok gefunden. Aber dann kam der Einladungstext und in dem steht, es werde im Ausschuß alles blockiert. Und außerdem ist noch Professor Funke dabei. Das fand ich dann alles nicht so glücklich. Das habe ich Salomon gesagt und der meinte, ok, dann geh ich nicht hin.“

Wieder zum Abgeordneten Salomon. Mit hintergründigem Lächeln antwortet er auf die Schilderung: „Nein, so war es nicht.“ Da sei mehr gewesen. Und er erwähnt seine Fraktion. Konkret will er nicht werden, macht aber deutlich, daß er die Podiumsdiskussion nicht freiwillig abgesagt hat. Die Darstellung, er habe etwas „umgesetzt“, treffe es eigentlich ganz gut.

Doch nicht nur die Grüne Fraktion legt allem Anschein nach einem frei gewählten Abgeordneten Fesseln an, Kritik am geplanten Auftritt Salomons in Freiburg gab es auch von anderen Mitgliedern des NSU-Untersuchungsausschusses – zum Beispiel der SPD. Und der FDP-Obmann Ulrich Goll feixte morgens, als er Salomon im Landtag begrüßte: „Ich habe gehört, Ihre Teilnahme an der Diskussion in Freiburg ist eine Ente.“

Es geht vor allem um den Koalitionsfrieden mit der SPD – das ist ein paar Tage später zu erfahren. Dieser Koalitionsfrieden hatte bereits dafür gesorgt, daß drei Jahre lang kein NSU-Untersuchungsausschuss zum Kiesewetter-Mord eingesetzt worden war. Jetzt, nachdem es ihn gibt, soll vor allem das Innenministerium geschont werden, das die Verantwortung für das Landeskriminalamt und das Landesverfassungsschutzamt hat. Ministerschutz vor Aufklärung könnte man sagen.

So viel zur inneren Beschaffenheit dieses Ausschusses. Man muß an der Stelle doch einmal kurz daran erinnern, daß es Bürgerinitiativen wie der in Freiburg zu verdanken ist, daß es diesen NSU-Ausschuss überhaupt gibt. Und auch die Herren Landtagsabgeordneten Filius, Goll oder Sakellariou würden immer noch nicht dort sitzen, wenn es nur nach ihnen gegangen wäre. Aber vielleicht ist es ja das, was sie diesen engagierten Bürgern nicht verzeihen.

Die freiburger Veranstalter wandten sich mittlerweile ebenfalls an den Grünen Obmann Jürgen Filius und wollten eine Erklärung für die Absage. Doch von dort kam nicht etwa die Antwort, der Kollege Salomon habe Bedenken an der Veranstaltung selbständig „umgesetzt“. Stattdessen entschuldigte sich Filius, die Fraktion habe „keine Vertretung“ gefunden. Wie sieht eine Vertretung aus für einen Abgeordneten, dem man verboten hat, aufzutreten? Das würde mich doch mal interessieren.

Thomas Moser
(21.7.2015)

Offener Brief der „Initiative NSU Aufklärung“ Baden Württemberg (INA) vom 18.05.2015

INA – Initiative NSU-Aufklärung • c/o Die AnStifter, Werastr. 10, 70182 Stuttgart

An
Herrn Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg
Herrn Dr. Nils Schmidt, stellvertretender Ministerpräsident
Herrn Wilfried Klenk, Präsident des Landtags
Frau Brigitte Lösch, stellvertretende Präsidentin des Landtags
Herrn Wolfgang Drexler, Vorsitzender des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus/NSU BW“
die Landtagsfraktionen
die Mitglieder des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus/NSU BW“
Haus des Landtags
Konrad-Adenauer-Straße 3
70173 Stuttgart
Stuttgart, 18. Mai 2015
Offener Brief

Am 2. Mai waren es 100 Tage, seit der Untersuchungsausschuss „Rechtsterrorismus/NSU BW“ des baden-württembergischen Landtags am 23.1.2015 zum ersten Mal öffentlich getagt hatte. Eine gute Gelegenheit für eine Zwischenbilanz.
Wir, die Initiative NSU-Aufklärung (INA), sind eine Gruppe Bürgerinnen und Bürger, die den NSU-Untersuchungsausschuss aufmerksam und kritisch begleiten. Unser Fazit weist positive und negative Aspekte auf, aus denen sich einige Forderungen an den Ausschuss ergeben. Ausdrücklich weisen wir daraufhin, dass unsere Wertungen einzelne Ausschussmitglieder in unterschiedlichem Maße betreffen. Soweit unverzichtbar, werden sie namentlich genannt.
Grundsätzlich begrüßen wir die Absicht und den Auftrag des Untersuchungsausschusses, die bislang nicht aufgeklärten Beziehungen zwischen dem NSU-Netzwerk und der extrem rechten Szene Baden-Württembergs sowie die mögliche Beteiligung des NSU-Netzwerkes am Heilbronner Mordanschlag und die Rolle der Ermittlungs- und Sicherheitsbehörden, insbesondere des Verfassungsschutzes, umfassend zu untersuchen. Nicht zuletzt begrüßen wir die Tatsache seines Zustandekommens, auch wenn die Art und Weise seiner Entstehung einen unwürdigen Prozess darstellte, der sich zeitweise zwischen Provinzposse und Machtpoker bewegte.
Aus der problematischen Entstehungsgeschichte resultieren einige bis heute bestehende Strukturmängel:
• Eine parlamentarische Kontrolle der Exekutive findet in diesem Untersuchungsausschuss, der „schärfsten Waffe des Parlaments“ – nur sehr eingeschränkt statt. CDU- und FDP-Vertreter_innen sollen Vorgänge aus der Zeit ihrer Regierungsverantwortung überprüfen, Vertreter_innen von GRÜNEN und SPD aus der Zeit ihrer Regierungstätigkeit. Daraus ergeben sich – mal mehr, mal weniger erkennbar –Bremsen, wie zum Beispiel eine große Zurückhaltung beim Nach-und Hinterfragen und eine Vorsicht beim Umgang untereinander. Es zeigen sich spezielle Koalitionen z.B. zwischen CDU und SPD, sowie FDP, die bei Kritik an Ermittlungs- und Sicherheitsbehörden eine reflexartige Verteidigungshaltung an den Tag legen. Etwa bei der Ansprache des „institutionellen Rassismus“ dieser Behörden durch die Bundestagsabgeordnete Dr. Högl, in der z.B. der SPD-Abgeordnete Sakellariou einen Generalangriff auf die Ehre von 25.000 Polizeibeamten witterte. Dabei hatte Dr. Högl lediglich aus dem Abschlussbericht des Bundestagsuntersuchungssauschusses zitiert. Dieser hätte den Ausschussmitgliedern ebenso bekannt sein können, wie die wissenschaftliche Definition von „institutionellem Rassismus“, die gerade auch nicht beabsichtigtes diskriminierendes Handeln und strukturell vorgegebene Verdachtsmuster hervorhebt. Im Übrigen stellte die von den Akteuren dieser großen Koalition offen gezeigte Distanz, gelegentlich aggressive Ablehnung gegenüber den Berliner Ausschussmitgliedern, einen geradezu peinlichen und unwürdigen Auftakt der Tätigkeit des Stuttgarter Gremiums dar.
Dieselbe große Koalition zeigte sich bei der Bewertung der Ortsbegehung in Heilbronn am 4.5.2015: Die Vertreter der drei Parteien kamen auffallend schnell zu einer übereinstimmenden Beurteilung der vorgestellten Zeugenaussagen und zu dem Schluss, dass die Mehr-Täter-Theorie (mehr als zwei Täter) vom Tisch sei. Damit haben sie auf eine gründlichere Analyse der komplexen Befundlage verzichtet, weitere Aktenauswertungen und Zeugenbefragungen nicht abgewartet und sich vorschnell der offiziellen Selbstverteidigungslinie der Ermittler (Staatsanwaltschaften und auch von Teilen der Polizei) sowie des Innenministeriums angeschlossen.
• Einige Abgeordnete, welche die Einrichtung des Untersuchungsausschusses lange Zeit nachdrücklich abgelehnt hatten, sind nun Mitglieder eben dieses Gremiums. Es gibt begründete Zweifel daran, dass sie alle Vorbehalte abgelegt haben und willens und geeignet sind, die vielen Fragen des NS-Komplexes aufzuklären. Zu ihnen zählen besonders der CDU-Abgeordnete Blenke und der SPD-Abgeordnete Sakellariou.
• Einen ganz besonderen Fall der Unvereinbarkeit von früherem Amt und heutigem Mandat sehen wir in der Person von Justizminister a.D. Goll im Untersuchungsausschuss. Goll war zum Zeitpunkt des Kiesewetter-Mordes Justizminister, also Vorgesetzter des Heilbronner Staatsanwaltes und damit mitverantwortlich für dessen Tätigkeit, die viele kritische, bis heute nicht beantwortete Fragen aufgeworfen hat.
• Die bisherige Regelung der Akteneinsicht ist außerordentlich restriktiv. Sie wird von der Behörde, deren Tätigkeit untersucht werden soll, bestimmt. Das betrifft die Entscheidungen über die Auswahl der Akten und deren Teil-Schwärzung sowie die Einschränkungen für die Abgeordneten, sich Notizen zu machen und zu zitieren.

Daraus ergeben sich für uns zwingend folgende Forderungen:
• Die Fraktionen von CDU, SPD, FDP sollen insbesondere die Entsendung des Abgeordneten Goll sowie der Abgeordneten Blenke und Sakellariou in den Untersuchungsausschuss mit der Option überprüfen, sie durch andere Abgeordnete, zumindest jedoch durch ihre Stellvertreter, zu ersetzen.
• Der Landtag und der Untersuchungsausschuss sollen beim Innenministerium von Baden-Württemberg und die Aussagegenehmigungen vor allem von Mitarbeiter_innen des Verfassungsschutzes (einschließlich V-Leute) einfordern. Sie sollen dafür sorgen, dass die Modalitäten der Akteneinsicht durch Mitglieder des Ausschusses im Datenraum dahingehend geändert werden, dass handschriftliche Notizen generell möglich sind (Ausnahmen sind im Einzelnen zu begründen und dürfen die generelle Regelung nicht behindern).

Positiv bewerten wir die bisherige Verhandlungsführung des Ausschussvorsitzenden Drexler, insbesondere seine wiederholten Bemühungen, die Untersuchungen möglichst ergebnisoffen zu gestalten und vorschnellen Bewertungen deutlich entgegenzutreten.

Die folgende Bewertung einzelner Sitzungen und Abläufe muss sich auf einige besonders wichtige Punkte beschränken:
1. Der Fall Florian Heilig:
Die Arbeit des UA an diesem Fall erbrachte wichtige Erkenntnisse dank einer zumindest zeitweise zu beobachtende investigativen Haltung der Mehrzahl der Ausschussmitglieder. Leider fand sie bei den nachfolgenden Befragungen keine Fortsetzung mehr. Besonders die Anhörung des KHK Gencer über den Verlauf der Ermittlungen zum Tod von A. Christ bestätigte das fehlende staatsanwaltliche und polizeiliche Aufklärungsinteresse des Todes von F. Heilig. Wie schon im Fall des Heilbronner Doppelverbrechens dargestellt, folgten die Abgeordneten der bereits angeführten „großen Koalition“ auch hier ihrem Interpretationsschema: „Die Thesen von Staatsanwaltschaft und Polizei wurden bestätigt. Es gibt keine
offenen Fragen mehr.“
Die Frage nach der Ursache des Todes von F. Heilig muss weiterhin offen gehalten werden, da unseres Erachtens noch viel zu viel ungeklärt ist:
• Die Fundstücke aus dem Fahrzeug und der Wohnung von F. Heilig sind noch nicht ausgewertet.
• Warum, in wessen Interesse und in wessen Verantwortung wurde in Stuttgart nicht wirklich ermittelt.
• Welche Beziehungen hatte F. Heilig zur rechten Szene, insbesondere zu den älteren Szenemitgliedern.
• Ebenfalls zu untersuchen sind die personellen, mentalen und strukturellen Ursachen der polizeilichen Wahrnehmungsdefizite in Bezug auf rechtsextremistische Personen und Gruppen im Großraum Heilbronn.

2. Tatortbegehung Heilbronn
Die Tatortbegehung in Heilbronn am 4.5.2015 ermöglichte es den Ausschussmitgliedern, den Journalisten und der Öffentlichkeit, sich ein Bild vom Tatort zu machen und einige Zeugenaussagen räumlich einzuordnen.
Kritik üben wir an den Ausführungen des letzten LKA-„Chefermittlers“ Mögelin. Mit seinem eloquenten und smarten Auftreten konnte er einige Zuhörende und sonst eher kritische Journalisten darüber hinwegtäuschen, dass er eine Auswahl und Bewertung der Befunde vornahm, die vollkommen stimmig war zu der Linie der Staatsanwaltschaft, der Bundesanwaltschaft und dem Berichts der EG Umfeld, ganz im Sinne der Zwei-Täter-Theorie. Er sprach von „Zeugen, die blutverschmierte Personen gesehen haben wollen“ und untergrub deren Glaubwürdigkeit mal subtil, mal offensiv, aber konsequent. In seiner Aussage vor dem Bundestagsuntersuchungssauschuss hatte er diese Zeugenaussagen noch als „vernünftig und glaubwürdig“ und als „korrespondierend“ bezeichnet. Auch ging er kaum auf die Befunde der ersten Ermittlungsgruppe ein, ebenso wenig auf die chaotische Situation am Tatort unmittelbar nach der Tat: Dieser war nicht systematisch abgesperrt und zig Polizisten unterschiedlichster Zuständigkeiten irrten und trampelten auf dem Tatgelände herum. Die Darstellung der einseitig selektierten Befunde vor Ort verlieh ihnen einen nicht gerechtfertigten Anschein von Authentizität.
Noch eine Anmerkung zu der Polemik des Abgeordneten Sakellariou gegenüber den Mitgliedern des Bundestagsausschusses „Ich bin sicher, dass der Berliner Ausschuss Aussagen anders gewichtet hätte, wäre er ebenfalls vor Ort gewesen.“ Vielleicht hätte er einmal seine Parteikollegin Högl fragen sollen, die sich laut Ausschussprotokoll ein Bild vom Tatort gemacht hatte. Jedenfalls klang seine Überraschung über die Eindrücke vor Ort für einen, der gerade 50 km entfernt wohnt, nicht überzeugend.
Um die Umstände des Mordes von M. K. und des Mordversuchs von M.A. aufzuklären, bedarf es unseres Erachtens zumindest folgender Voraussetzungen:
• Der Ausschuss muss die verschiedenen Täterhypothesen einer erneuten, ergebnisoffenen Überprüfung unterziehen.
• Die Indizien für die Mehr-Täter-Theorie sind auch im Blick auf die anhaltende Gefahr, die von Tätern und Unterstützern z.B. für aussagebereite Personen ausgehen könnte, ernst zu nehmen und weiter zu überprüfen.
• Falls eine Beteiligung oder Beihilfe von Dienstpersonen aus dem Bereich der Ermittlungs- und Sicherheitsbehörden an der Tat oder an ihrer Vertuschung in Frage kommt, muss dies ohne Ansehen der Person/en überprüft werden.
• Der Ausschuss soll sämtliche polizeilichen Ermittlungsergebnisse in seine Untersuchungen einbeziehen, auch jene, die durch das Eingreifen der Heilbronner Staatsanwaltschaft nicht weiter verwertet wurden. Auch das Vorgehen der Staatsanwaltschaft selbst und ihre Motive müssen Bestandteil einer solchen Untersuchung sein.
• Das vielfältige Beziehungsgeflecht, das sich zwischen Kiesewetters Heimatort und den mutmaßlichen Tätern bisher nur in groben Umrissen gezeigt hat, ist gründlicher als bisher zu untersuchen. Ebenso die Beziehungen zwischen dem NSU-Netzwerk und der extrem rechten Szene im Großraum Heilbronn, in Schwäbisch Hall, Ludwigsburg, Stuttgart und darüber hinaus.
• Die Akten der Ermittlungen im Fall Kiesewetter/Arnold sind dem Ausschuss vollständig zugänglich zu machen.

Zuletzt fordern wir, die Sitzungsprotokolle des Untersuchungsausschusses zeitnah auf der Homepage des Landestags von Baden-Württemberg zu veröffentlichen. Dies ist, neben der Möglichkeit, die öffentlichen Sitzungen zu besuchen, ein wesentlicher Beitrag zu größtmöglicher Transparenz und eine wichtige Bedingung demokratischer Teilhabe.

INA – Initiative NSU-Aufklärung

Florian Heilig – Der Tod eines Zeugen. Mord oder ein Suizid aus Liebeskummer?

Eyes Wide Shut

Florian Heilig – Der Tod eines Zeugen. Mord oder ein Suizid aus Liebeskummer?

Am 2.3.2015 behandelt der parlamentarische Untersuchungsausschuss/PUA in Baden-Wüttemberg die Todesumstände von Florian Heilig. Dazu werden der Vater und die Tochter befragt – außerdem die frühere Freundin von Florian Heilig.

Der folgende Beitrag fasst die zahlreichen Gesprächen mit der Familie Heilig und die eigenen Recherchen der letzten 1 ½ Jahre zusammen.
Genau acht Stunden vor seiner Vernehmung als Zeuge bringt sich Florian Heilig auf fürchterliche Weise selbst um. Er verbrennt in seinem eigenen Auto – um 9 Uhr morgens, 70 Kilometer von seinem Heimatort entfernt. Das behauptet die Staatsanwaltschaft in Stuttgart, das behauptet der Gall-Bericht des SPD-geführten Innenministeriums im Februar 2014.

Traueranzeige der Familie Heilig Traueranzeige der Familie Heilig

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NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags von Baden-Württemberg von Thomas Moser

NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags von Baden-Württemberg
Spuren – Fragen – Widersprüche

Daß Journalisten von einem Parlamentsausschuß eingeladen werden, ist ungewöhnlich. In der Regel veröffentlichen sie, was sie wissen. Und ihre Unabhängigkeit verlangt Distanz zu den staatlichen Gewalten. Daß nun Journalisten und Autorinnen vor dem Untersuchungsausschuß zum Komplex NSU gehört werden, ist vor allem Ergebnis jahrelanger Versäumnisse. Wenn ich heute auf mein Zeugnisverweigerungsrecht weitgehend verzichte und Ihnen zur Verfügung stehe, dann weil dieser Ausschuß auch eine Form der Öffentlichkeit darstellt. Vor allem aber, weil der NSU-Komplex kein normaler Kriminalfall ist. Im Gegenteil: Er hat begonnen, alles zu sprengen. Er hat bereits demokratische und rechtsstaatliche Strukturen beschädigt. Mich betrifft das deshalb nicht nur als Journalist. Was wir bisher an Hintergründen wissen und an Vertuschungen erleben, muß die Allgemeinheit alarmieren.

Wir wissen nicht, wie es war. Wir wissen nur, wie es nicht war. So, wie es die Bundesanwaltschaft darstellt, war es nicht. Damit sind wir mitten im Problem.

Ich will Ihnen einige Kenntnisse vortragen, Hinweise auf Spuren und Ermittlungsansätze geben, auf offene Fragen und auf Widersprüche aufmerksam machen – sowie methodische Vorschläge für den Umgang mit Quellen, Akten und Zeugen unterbreiten. Meine Informationsbasis sind unter anderem der Untersuchungsausschuß des Bundestages und der NSU-Prozeß in München. Ich will mit einem Musterfall beginnen, dem Sachverhalt „Stengel – Ogertschnik – V-Mann Erbse“.

Im August 2003 erfuhr das Landesamt für Verfassungsschutz von Baden-Württemberg durch den Hinweisgeber Torsten O. von der rechtsterroristischen Vereinigung namens NSU. Der Hinweisgeber soll mit der Gruppe in Verbindung gestanden und fünf Namen genannt haben, darunter Mundlos. Entgegengenommen hat die Information nach eigener Aussage, unter anderem vor dem Untersuchungsausschuß in Berlin, der LfV-Beamte Günter S. Der Beamte fertigte einen Bericht, den er dann im Amt auf Anweisung von oben vernichten mußte. Er machte noch einen Eintrag im Nadis, dem Informationssystem der Verfassungsschutzämter, und behielt einige Notizen bei sich.

Die Version von Günter S. wird vom LfV, vom Landeskriminalamt und laut LKA auch von Torsten O. bestritten. Das muß niemanden verwundern, wenn man sich bewußt macht, was es bedeutet, sollte die Version von Günter S. stimmen: Der Informant Torsten O. wäre dann nämlich Unterstützer oder sogar Teil des NSU gewesen. Er müßte sich heute also schwer belasten. Mehr noch: Auch das LfV Baden-Württemberg würde schwer belastet werden – denn Torsten O. war einmal V-Mann des LfV, Deckname „Erbse“. Das ist bestätigt, wenn auch mit Verspätung. Trifft also die Version von Günter S. zu, hätte das LfV einen unmittelbaren Kontakt zum NSU gehabt. Und zwar spätestens 2003, als bereits vier Menschen ermordet worden waren. Grund genug also für LKA und LfV alles zu leugnen.

Das LKA erklärt, Torsten O. würde bestreiten, was der LfV-Beamte Günter S. sage. Hier steht mindestens Aussage gegen Aussage. Verdächtig ist allerdings, daß LKA, LfV und Innenministerium einem Informanten mehr Glauben schenken als einem Beamten. Wir müssen aber nicht auf der Glaubensebene stehen bleiben. Es gibt Möglichkeiten und Kriterien der Überprüfung. Die Frage ist zum Beispiel: Wie wurde Torsten O. vernommen? Als Zeuge – oder als Beschuldigter? Das ist ein Unterschied. Als Beschuldigter mußte er nicht die Wahrheit sagen. Er muß sich nicht selbst belasten. Doch wenn er als Beschuldigter vernommen wurde, müßte gegen ihn ermittelt werden. Und wenn er als Zeuge vernommen wurde – hatte er dann eine Aussagegenehmigung? Ist es vielleicht so, daß Torsten O. als Beschuldigter belehrt und vernommen wurde und seine Vernehmung als die eines Zeugen präsentiert wird? Unter falschem Etikett sozusagen. Das muß als erstes geklärt werden.
Lassen Sie sich die Vernehmung von Torsten O. geben. Laden Sie ihn selber vor und befragen Sie ihn. Besorgen Sie sich die V-Mann-Akte von „Erbse“. Von wann bis wann war er V-Mann? Was war sein Tätigkeitsfeld und wer hat ihn geführt? Hören Sie Günter S. an.

Eine weitere Merkwürdigkeit in dem Fall: Günter S. hat erklärt, nicht gewußt zu haben, daß der Hinweisgeber Torsten O. einmal V-Mann war, als er, S., von der Amtsspitze im August 2003 zu ihm geschickt wurde. Günter S. war im Bereich Wirtschaftsspionage tätig, V-Mann „Erbse“ im Bereich Rechtsextremismus. „Erbse“ ist ein Mann des früheren LfV-Präsidenten Helmut Rannacher, einst Leiter der Abteilung Rechtsextremismus, sowie seiner Nachfolgerin in der Abteilung REX, Bettina Neumann, heute Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Beide müssen gewußt haben, daß es sich bei Torsten O. um den V-Mann „Erbse“ handelte.
Warum wurde Günter S. zu ihm geschickt und warum wurde die V-Mann-Tätigkeit des Hinweisgebers gegenüber dem Beamten S. verschwiegen?

Es gibt einen bedenklichen Umgang mit dem Zeugen Günter S.
Im Bericht der EG Umfeld des Innenministers vom Februar 2014 steht, der Untersuchungsausschuß des Bundestages habe Herrn S. „letztlich als nicht glaubwürdig eingestuft“. Das ist unwahr. Der Ausschuß enthielt sich einer Bewertung und erklärte nur, der Widerspruch sei nicht zu lösen gewesen. Vielmehr zitiert der Ausschuß sogar einen Vermerk des BKA, in dem Günter S. bescheinigt wird, einen „sehr glaubwürdigen Eindruck“ gemacht zu haben.
Wie kommt das Innenministerium also zu einer solchen falschen Behauptung?

Im Gall-Bericht steht weiter, Günter S. habe angegeben, laut Torsten O. habe Uwe Mundlos ihn, Torsten O., in der Haft besucht. Doch Torsten O., so das Ministerium, sei zwischen 1998 und 2011 nicht in Baden-Württemberg in Haft gewesen, also habe Mundlos ihn gar nicht in der Haft besuchen können. Das Ministerium benutzt das als weiteren Beleg für die „Zweifel am Wahrheitsgehalt der Darstellung des Herrn S.“ Doch das Ministerium manipuliert. Denn: Günter S. hat den dargestellten Sachverhalt so nie geschildert. Er hat nie behauptet, Torsten O. habe ihm berichtet, von Mundlos im Knast besucht worden zu sein. Vielmehr hat Günter S. berichtet, Torsten O. habe laut eigener Aussage im Gefängnis Leute aus Ostdeutschland kennengelernt. Der Kontakt sei nach der Haftentlassung geblieben, und darüber sei er schließlich in Kontakt zu Leuten dieser Gruppe namens „NSU“ gekommen, u.a. Mundlos.
Fragen Sie das Innenministerium, warum es mit solchen Unwahrheiten operiert.

Die Geschichte von Günter S. ist noch nicht zu Ende. 2005 wurde er wegen der Affäre „NSU-Torsten O.“ vorzeitig in den Ruhestand versetzt. – Ich will das an der Stelle nur vermerken. – Er wird wegen seiner Aussagen von Vertretern der Exekutive fortgesetzt herabgewürdigt. Dennoch stellte er sich im Sommer 2013 erneut und freiwillig seiner Verantwortung. In verschiedenen Medien waren die 14 Phantombilder von Heilbronn erschienen und Günter S. will in einem der Bilder den Hinweisgeber von 2003, Torsten O., erkannt haben. Er ist sich so sicher, daß er dem Innenministerium in Stuttgart als pflichtbewußter Beamter Meldung macht. Dort wird der Hinweis auf unsagbare wie unprofessionelle Weise abgetan. Der Gall-Bericht dokumentiert diesen beschämenden Vorgang. Er dokumentiert die Blockade der Ermittlungen.

Der Hinweis von Günter S. besagt nicht mehr und nicht weniger, als daß ein V-Mann, oder ex-V-Mann, am Anschlagstag am Anschlagsort gewesen sein könnte. Der Mann war im Beisein von drei anderen Männern, die auf etwas warteten, so der Zeuge H., dem sie damals etwa eine dreiviertel Stunde vor der Tat auf der Theresienwiese auffielen und nach dessen Angaben das betreffende Phantombild gezeichnet wurde. Nach unseren Recherchen haben Torsten O. und der Mann auf der Theresienwiese nicht nur ein ähnliches Aussehen, sondern dieselbe Körpergröße und Statur.
Das gehört ermittelt und wird seltsamer Weise nicht ermittelt: Wo war Torsten O. am 25. April 2007? Hat er ein Alibi?

Torsten O. steht, wenn die Aussage von Günter S. stimmt, für die zahlreichen Verbindungen der Neonazi-Szene von Baden-Württemberg nach Ostdeutschland, die inzwischen vielfach belegt sind – nebenbei auch im Gall-Bericht. Der NSU nahm in Jena seinen Anfang, das zwickauer Trio war einst ein jenaer Trio. Auch nach Jena selber gibt es zahlreiche Kontakte von rechtsextremen Personen aus Ba-Wü. Unter anderem Nicole Schneiders, Michael Stingel, Michael Dangel, Martin S. und Wolfgang D. Nicole Schneiders und Michael Stingel verkehrten in Jena in einem Burschenschaftshaus, in dem auch die Mitglieder des Thüringer Heimatschutzes Ralf Wohlleben und André Kapke verkehrten. Wohlleben sitzt in München vor Gericht. Gegen Kapke wird wegen der Mordserie noch ermittelt.

Im Untersuchungsauftrag dieses Ausschusses steht, Punkt I.7.:
„…Es ist insbesondere zu klären, ob Mitglieder des Trios, ein wegen der Unterstützung der Straftaten des NSU vor dem OLG München Angeklagter oder eine andere Person auf der sogenannten 129er-Liste als V-Person oder Informant baden-württembergischer Sicherheitsbehörden geführt oder eingesetzt wurden…“ – Zitat ende.
Kompliment. Sie sind nach meinem Überblick das erste Gremium, das diese Frage so explizit formuliert. Es geht bei dieser Frage v.a. um den Angeklagten Ralf Wohlleben. – Ich habe das mehrfach beschrieben und kann es, wenn gewünscht, noch einmal ausführen. – Allerdings bezieht sich die mutmaßliche V-Mann-Tätigkeit Wohllebens nicht auf das LfV, sondern auf das BfV. Ich hoffe, das schmälert das Aufklärungsinteresse dieses Ausschusses nicht.

Zur Personalie Wohlleben gehört unmittelbar die Personalie Nicole Schneiders. Die Rechtsanwältin, die in München Ralf Wohlleben verteidigt, hat zwei Jahre lang, von 2001 bis 2002, in Jena studiert und war dort in der NPD die Stellvertreterin des NPD-Vorsitzenden Wohlleben. Der Untersuchungsausschuß des Bundestages hat sich vom LfV Unterlagen zu Schneiders kommen lassen. Das Innenministerium hat knapp 300 gefilterte und selektierte Seiten zusammengestellt. Sie sind zum Teil geschwärzt und darin fehlen wundersamer weise die jenaer Jahre. Beim LfV müssen aber mindestens vier ganze Ordner über Schneiders vorliegen. Zusätzlich beim IM (Innenministerium) ein weiterer Ordner über die Frau.
Lassen Sie sich sämtliche Ordner geben. Vollständig und ungeschwärzt.
Welche Kenntnisse hatte das LfV über die rechtsextreme Szene in Jena?

In den Unterlagen tauchen mehrere V-Leute auf. Zum Beispiel „VM Rose“, mutmaßlich eine V-Frau. Die Abkürzung „VM“ wird auch für Frauen benutzt. Lassen Sie sich den Klarnamen von V-Frau Rose geben und die vollständige Akte. Es gibt um Nicole Schneiders herum mindestens sechs bis sieben V-Leute. Lassen Sie sich die Klarnamen geben und die Akten.

Die LfV-Verantwortlichen Helmut Rannacher und Bettina Neumann haben vor dem U-Ausschuß in Berlin ausgesagt, mangels Quellen habe das Amt keinen Zugang zur rechtsextremen Szene in Ba-Wü gehabt. Auch der LfV-Verantwortliche Johannes Schmalzl ging in diese Richtung. Damit wollten sie erklären, warum die Taten und Kontakte des NSU im Land unentdeckt blieben. Die Aussagen der Zeugen vor dem berliner Ausschuß stimmen nicht. Das LfV hatte entgegen deren Behauptungen zahlreiche Quellen in der rechten Szene.
Konfrontieren Sie Rannacher, Schmalzl und Neumann damit.

Zu den Heilbronn-Ermittlungen.
In den Ermittlungsakten zum Mord auf der Theresienwiese werden sie auf bemerkenswerte Aussagen stoßen, aber auch auf irritierende, auf Widersprüche und sogar auf Aktenmanipulationen.

Verschiedene Zeugen sahen nach 14 Uhr an jenem 25. April 2007 drei blutverschmierte Männer nahe des Tatorts. Die Zeugin L.W. sah einem blutverschmierten Mann am südlichen Eingang zur Theresienwiese sekundenlang und nur wenige Meter entfernt ins Gesicht. Seine linke Körperseite war blutbesudelt. Sie hatte ihn frontal vor sich. Wer die Stelle in Augenschein nimmt, erkennt, warum das so war. Die Zeugin W. ist glaubhaft. Der Erste Staatsanwalt von Heilbronn, Christoph Meyer-Manoras, bescheinigte ihr dagegen „Unglaubwürdigkeit“. – Die Gründe, die der Staatsanwalt angibt, sind mutwillig. Außerdem hat er dem Untersuchungsausschuß in Berlin den Sachverhalt nicht korrekt vorgetragen. Wenn gewünscht, erläutere ich das. – Von dem blutverschmierten Mann wurden zwei Phantombilder erstellt. Ein Zeuge, der an anderer Stelle, weiter südlich, einen blutverschmierten Mann sah, blutverschmiert rechts, ist eine V-Person der heilbronner Polizei. Auch von diesem blutverschmierten Mann wurde ein Phantombild erstellt. Der verantwortliche Staatsanwalt von Heilbronn bezeichnete auch diesen Zeugen als unglaubwürdig. Der Zeuge A.M. sah einen Mann, der im Neckar seine blutverschmierten Hände wusch und der in Begleitung einer Frau und eines zweiten Mannes war. Von dem Blutverschmierten und der Frau wurden Phantombilder erstellt. Bei den drei Blutverschmierten handelt es sich um drei verschiedene Männer. Die SoKo Parkplatz ging aufgrund dieser korrespondierenden Zeugenaussagen davon aus, daß die Tat von vier bis sechs Personen begangen wurde. Auch Martin Arnold, der schwerverletzte Beamte, ließ ein Phantombild erstellen. Laut Bericht der SoKo Parkplatz vom April 2011 zeige es „mit hoher Wahrscheinlichkeit den Täter.“ Kein einziges der Phantombilder – insgesamt zwölf verschiedene Männer – ähnelt aber Böhnhardt oder Mundlos. Das Phantombild der Frau nicht Zschäpe.

Das LKA wollte drei der Phantombilder für die Fahndung herausgeben. Der Erste Staatsanwalt von Heilbronn untersagte das. Doch die Phantombilder haben eine Relevanz. Sämtlichen Polizeibeamten aus Böblingen und Heilbronn wurden die Phantombilder vorgelegt – mit zum Teil verstörendem Ergebnis. Dazu komme ich noch. 2012 wurden den heilbronner Zeugen, nach deren Angaben die Phantombilder erstellt wurden, Fotos von Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe und dem Angeklagten Holger Gerlach vorgelegt. Niemand erkannte unter den vieren jene Person, die ihm damals aufgefallen war.

In den Akten werden Sie dann auf eine Spur stoßen, die nicht restlich geklärt ist: Am Tattag soll ein Angler russischer Herkunft auf Höhe des Trafohäuschens, wo der Mord geschah, am Neckar geangelt haben. Er soll Bekannten gegenüber mitgeteilt haben, er wüßte, welche Nationalität die Täter hatten, denn er habe sie reden gehört. Anzunehmender weise eben Russisch. „Russisch“ – das korrespondiert z.B. mit der Wahrnehmung jenes Zeugen, der einen blutverschmierten Mann, blutverschmiert rechts, in ein Auto springen sah, dessen Fahrer „dawei, dawei!“ rief.
Fragen Sie die Zielfahndung des LKA, die nach diesem Angler gesucht haben will, warum sie ihn nicht gefunden hat.

Waren beim Anschlag Polizisten in der Nähe?
Der Zeuge A.K. passierte am Tattag gegen 13.45 Uhr, also bevor Kiesewetter und Arnold auf der Theresienwiese ankamen, – das war gegen 13:55 Uhr – mit seinem Fahrrad von Böckingen kommend die Theresienwiese. Dabei bemerkte er auf dem Platz ein parkendes Polizeifahrzeug, jedoch nicht am Trafohaus, wo die späteren Opfer parkten. Ein unidentifiziertes Polizeiauto auf der Theresienwiese? Es gibt dazu weitere Beobachtungen: Der Zeuge M.K. sah gegen 13:45 h einen Streifenwagen der Polizei von der Otto-Konz-Brücke kommend in die Theresienstraße einbiegen, die an der Theresienwiese entlang führt. Kiesewetter und Arnold konnten das nicht gewesen sein. Sie nahmen einen anderen Weg, kamen vom Polizeirevier, fuhren durch die Innenstadt und am Bahnhof vorbei über die Frankfurter Straße zur Theresienwiese. Der Zeuge E.R. fuhr gegen 13.50 h aus Richtung Bahnhof kommend über die Theresienstraße zur Otto-Konz-Brücke. Vor der Kreuzung Theresienstraße-Karlsruher Straße bemerkte er in der Einfahrt zur Theresienwiese ein Polizeifahrzeug.
Also zwei Streifenwagen am Tatort, wenige Minuten vor dem Anschlag? Nicht ermittelte Spuren.

Nun zu den Vernehmungen der Polizeibeamten aus Böblingen und Heilbronn. Sie sind reich an Auffälligkeiten.
Die Polizeibeamtin Yvonne M., die mit Michèle Kiesewetter zusammengewohnt hat und wie sie in Ostdeutschland aufwuchs, sagt bei ihrer Vernehmung zunächst den Satz: „Eine Tat aus den eigenen Reihen schließe ich aus.“ Dann entwickelt sie ein verblüffendes Szenario: „Ich kann mir gut vorstellen, dass die Tat von mehreren begangen wurde, ich glaube sogar von mehr als nur zwei Personen. Die Frage kam damals auch auf, ob das am hellichten Tag an diesem Ort Sinn macht. Wenn man am Tatort steht, dann merkt man, dass die Täter nicht unbedingt auffallen müssen. Es fahren ständig Züge und es ist dann so laut, dass man einen Schuss vermutlich nicht hören wird. Wenn dann noch einige Mittäter an bestimmten Knotenpunkten als Streckenposten aufgestellt werden und die Passanten mit „unauffälligen Fragen“, z.B. Frage nach dem Weg, einer Straße oder so ähnlich, aufhalten, dann muss das keiner bemerkt haben. Manchmal sind es auch ganz belanglose Dinge, die so unauffällig sind, dass man sie z.B. als Zeuge gar nicht erwähnt. Wenn ich am Tattag z.B. nach dem Weg gefragt werde, dann ordne ich das nicht dem Mordfall zu. Ich denke daher auch, dass es eine geplante Tat war.“ – Zitat ende.
Wie kommt die Beamtin auf ein solches Szenario?

Interessanterweise passen dazu verschiedene Beobachtungen von Zeugen. Die Zeugin T.F. und der Zeuge T.B. sahen gegen 14 Uhr unabhängig voneinander drei Männer, die vom Tatort Richtung Norden, Hafenstraße, flohen. Es paßt die Wahrnehmung jenes Zeugen, dem etwa eine dreiviertel Stunde vor der Tat eine Gruppe von vier wartenden Männern auffiel. Und der Zeuge Peter S., der kurz nach 14 Uhr die Opfer liegen sah und daraufhin bei Taxifahrern am Bahnhof als erster Meldung über die Tat machte, berichtete vor dem Oberlandesgericht in München Folgendes (21.1.2014): Auf dem Radweg von Böckingen an der Theresienwiese vorbei Richtung Bahnhof sei, als er die Opfer entdeckte, „ungeheuer viel los“ gewesen. Doch als er kurz darauf vom Bahnhof zurückkam, sei „kein Mensch mehr dagewesen“. Und wörtlich: „Das war wie verhext.“ Ein solches Szenario, wie es die Polizistin Yvonne M. entwickelte, paßt schließlich auch zu der Annahme der SoKo Parkplatz von den vier bis sechs Tätern. Konservativ gerechnet. Progressiv könnten es sogar fünf bis zehn Täter gewesen sein.

Das Motiv für die Tat fehlt bislang.
In den Vernehmungen der Beamten wird die Hypothese formuliert, es handle sich um einen „lauten Mord“. Am hellichten Tag, mitten in der Stadt, vor allen Leuten – damit sollte ein Zeichen der Stärke und Unangreifbarkeit der Täter-Gruppierung gesetzt werden. Die Opfer seien ein „Ersatzziel“ gewesen, vielleicht für die Einheit. Nicht weniger als 15 Beamte der BF-Einheit aus Böblingen waren am Tattag in Heilbronn – und das, obwohl die BFE-ler die Anweisung hatten, Urlaub zu machen und Überstunden abzufeiern.
Warum also waren dennoch so viele in Heilbronn? Und warum tat fast die Hälfte ihren Dienst in Zivil? Gab es vielleicht Hinweise auf eine bevorstehende Aktion? Waren darin Beamte verwickelt?

Allen vernommenen Beamten wurden die 14 Phantombilder vorgelegt.
Der Beamte Danyel K. sagt (13.10.2010): Bei dem Phantombild der Frau „könnte es sich um die Kollegin Yvonne M. handeln“. Der Beamte Thomas K. sagt, die Phantombild-Frau mit dem Kopftuch komme ihm vertraut vor. Er komme aber nicht drauf, wem sie ähnlich sehe. Der Beamte Jochen R. sagt (14.10.2010), das Phantombild des Mannes, blutverschmiert links, „sieht so ähnlich aus, wie der Kollege S. Er war an dem Tag im Einsatz, am Bahnhof und zwar in zivil.“ Der Beamte Reiner M., Polizeidirektion Heilbronn, sagt zu dem Phantombild, das der angeschossene Beamte Arnold erstellen ließ: „Die Person gibt es. Ich würde sagen, daß der schon mal in einer Sache bei mir auf der Dienststelle war.“
Es gibt noch mehr Bemerkungen dieser Art über Ähnlichkeiten von Phantombildern mit realen Personen.

Die Akten sind unvollständig.
In einem Aktenvermerk vom Dezember 2010 bemängelt die SoKo Parkplatz, daß Unterlagen der Bereitschaftspolizei Böblingen „nicht vollumfänglich vorliegen“. In diesen Unterlagen geht es u.a. um die „NoeP“-Tätigkeit von Michèle Kiesewetter – NoeP steht für „Nicht offen ermittelnde Polizistin“.

Bei drei Beamten – Rainer B., Mathias H. und Patrick H. – stößt man auf folgende Merkwürdigkeit: Bei ihren Vernehmungen im Jahr 2010 wird ihnen ihre angebliche Erstvernehmung von 2007 vorgehalten. Alle drei erklären – unabhängig voneinander – damals gar nicht vernommen worden zu sein. Die Vernehmung nun, im Oktober 2010, sei ihre erste Vernehmung. Sie bestätigen gleichzeitig aber, daß die Unterschrift auf dem letzten Blatt der angeblichen Erstvernehmung ihre Unterschrift sei.
Der Sachverhalt kommt offensichtlich auch der SoKo Parkplatz verdächtig vor. Die Sachbearbeiterin macht dazu einen extra Vermerk. Er ist „VS – nfD“ eingestuft. Warum? Weil die Manipulation geheim bleiben sollte? In den vorliegenden Ermittlungsakten wiederum finden sich diese angeblichen Erstvernehmungen von 2007, die den drei Beamten vorgehalten wurden, nicht mehr.
Eine doppelte Aktenmanipulation also? Fingierte Vernehmungen von 2007 – die dann aus den Ermittlungsakten herausgenommen wurden?

Der Beamte Patrick H. sagt in der Vernehmung 2010: Er habe am Tag vor der Tat auf der Theresienwiese Pause gemacht, zusammen mit der Kollegin S. Die Kollegin S. wurde später nach Thüringen versetzt. Von ihr liegt keine Vernehmung vor. In seiner angeblichen, von ihm bestrittenen Erstvernehmung soll der Beamte H. angegeben haben, am Tatort nie Pause gemacht zu haben.
Haben die Ermittler in Heilbronn Spuren verwischt?

Der Beamte Rainer B., der seine angebliche Erstvernehmung bestreitet, ist einer von vier Beamten, deren DNA an der Bekleidung von Kiesewetter und Arnold gefunden wurden. Wie die dort hin kam, können die Ermittler nicht sagen. Der Polizeibeamte Daniel S. war am Tattag in Heilbronn. Laut Akten kontrollierte er nach der Tat von 14.45 Uhr bis 14.55 Uhr, also ganze zehn Minuten lang, Passanten auf der Theresienwiese. Auch von Daniel S. wurden DNA-Spuren an Gürtel und Hose von Martin Arnold gefunden. Eine Vernehmung von Daniel S. findet sich nicht in den Unterlagen.
Gehen Sie diesen Ungereimtheiten in den Akten auf den Grund.

Offene Fragen zu einigen Personen – zunächst Martin Arnold.
Er wurde am 25. April 2007 mit seiner schweren Kopfverletzung ins Klinikum Ludwigsburg geflogen und dort mehrfach operiert. Am 15. Mai, nach drei Wochen, wurde er zur Rehabilitation nach Neresheim ins SRH-Fachkrankenhaus gebracht. Aus Ärztekreisen in Ludwigsburg stammt eine Information, daß Arnold drei Tage nach seiner Einlieferung in Ludwigsburg, also etwa am 28. April, kurzzeitig weggebracht worden sein soll. Diese Information wurde vom Klinikum Ludwigsburg nicht dementiert, sondern es wurde auf die zuständigen Behörden verwiesen. Das Innenministerium verweigerte die Auskunft. Ebenso die Bundesanwaltschaft. Ein Kollege erhielt allerdings auf die selbe Frage die Auskunft, Arnold sei – Zitat – „kurz nach seiner Noteinlieferung in Ludwigsburg ins Fachkrankenhaus Neresheim verlegt“ worden. Man kann diese Auskunft so interpretieren: Die Information, Arnold wurde verlegt, wird bestätigt, aber mit dem falschen Ort zu falschen Zeit vermengt.
Wurde der schwerverletzte Beamte tatsächlich – kurzzeitig – weggebracht? Wenn ja, wohin? Wer hat das veranlasst? Und vor allem: Warum?

Alexander Horn.
Der Vermieter des Wohnmobils aus Chemnitz, das von Böhnhardt unter dem Namen Gerlach angemietet worden war, das am 25. April 2007 mutmaßlich in Heilbronn war und das jedenfalls bei der Ringfahndung in Oberstenfeld eine halbe Stunde nach der Tat ostwärtsfahrend registriert wurde (Kz. C-PW 87) – dieser Vermieter war am 25. April 2007 ebenfalls in Heilbronn. Das ergab seine Befragung vor dem OLG in München. (12.11.2013) Der Grund sei gewesen, daß er einen Gebrauchtwagen angeschaut habe, irgendwo „in einem Gewerbegebiet“. Er habe das Fahrzeug gekauft und direkt mitgenommen. Und dann auf Nachfrage von Nebenklageanwälten: Das Fahrzeug existiere aber nicht mehr, weil es bei der Überführung nach Chemnitz einen Unfall „mit Totalschaden“ gehabt habe. Bei seiner Vernehmung durch das BKA bzw. LKA (Ba-Wü/Regionaler Ermittlungsabschnitt) im Dezember 2011 (22.12.2011) hatte Horn dagegen erklärt, er habe in Heilbronn keine Geschäftspartner und sich dort am 25. April 2007 auch nicht aufgehalten. Die Bundesanwaltschaft hat nach Horns Aussage vor dem OLG angekündigt, den Sachverhalt (gekauftes und verunfalltes Fahrzeug) ermitteln zu wollen. Ob das geschah und wenn ja, mit welchem Ergebnis entzieht sich meiner Kenntnis.
Fragen Sie nach: Wurde ermittelt und was ergaben die Ermittlungen? Lassen Sie sich die Unterlagen geben.

V-Frau „Krokus“ des LfV Baden-Württemberg.
Sie macht Aussagen, die ihr ehemaliger V-Frau-Führer bestreitet. Sie will 2006 Zschäpe in Ilshofen und Böhnhardt in Erlenbach getroffen haben. Sie erklärt, von 2006 bis 2012 als V-Person gearbeitet zu haben, also schon zur Zeit des Anschlages. Ihr V-Frau-Führer Rainer O. dagegen behauptet, sie sei erst nach dem Mord rekrutiert worden und sei von Sommer 2007 bis 2010 als Informantin tätig gewesen. Das läßt sich überprüfen. Zum Beispiel anhand der Personaldaten im LfV. Im Fall „Krokus“ steht Aussage gegen Aussage. Der U-Ausschuß des Bundestages in Berlin hat nur den LfV-Beamten O. gehört, nicht die V-Frau. Das muß nachgeholt werden. Der Fall zeigt nebenbei, daß es keinen Sinn macht, nur V-Mann-Führer zu hören. Im Gegenteil: An erster Stelle müssen die V-Leute gehört werden. Sie sind die unmittelbareren Zeugen.

Tino Brandt.
Der Neonazi-Aktivist des Thüringer Heimatschutzes und V-Mann des Verfassungsschutzes war Besitzer eines Hauses in Hardthausen nördlich von Heilbronn von 2004 bis 2008. Laut Innenministerium und laut Brandt selber habe er nicht in dem Haus gewohnt. Unklar ist bis heute, wer sich möglicherweise dort aufgehalten hat und wofür das Haus genutzt wurde. Theoretisch vorstellbar ist, daß es sich um eine konspirative Wohnung gehandelt hat, in der Treffen von V-Mann-Führern mit V-Leuten stattfanden. In Hardthausen lebt der ehemalige NPD-Aktivist und V-Mann des LfV, M.L. Und es gibt Hinweise auf einen weiteren V-Mann dort in der NPD. Die Person M.L., ehemals Landeschef der NPD-Jugendorganisation JN (Junge Nationaldemokraten) hatte Kontakte nach Thüringen. Unter anderem zu Patrick Wieschke aus Eisenach, früherer JN-Chef von Thüringen, heute NPD-Landeschef. Wieschke zählt zum NSU-Umfeld. Mit ihm wiederum hängt Carsten Schultze zusammen, ehemals zweiter JN-Chef von Thüringen, heute Angeklagter in München. Und mittendrin der Spitzel und NPD-Funktionär Tino Brandt. Brandt hat in München vor dem OLG ausgesagt (16.7.2014), er habe das Haus in Hardthausen damals für einen „Geschäftsmann aus Thüringen“ gekauft.
Wer ist dieser „Geschäftsmann“ und was tat er?

Der Fall Florian Heilig.
Dazu an dieser Stelle nur ein Gedanke: Die Todesermittlungen wurden von der stuttgarter Polizei durchgeführt. Die Ermittlungen im Zusammenhang mit NSU und dem Heilbronn-Mord jedoch liegen in den Händen der Bundesanwaltschaft. Dort liegen mindestens zwei Vernehmungen mit Heilig vor, die bisher nicht bekannt sind und auch dem Untersuchungsausschuß des Bundestages nicht zur Verfügung gestellt wurden.
Auch hier gilt: Lassen Sie sich diese Akten aus Karlsruhe kommen, ungeschwärzt.

Der Innenminister hat dem Ausschuß zehntausende Aktenseiten geliefert. Überprüfen Sie, ob sie vollständig sind. Akzeptieren Sie keine Herausnahmen von Blättern und keine Schwärzungen durch Behörden, die Ihr Untersuchungsgegenstand sind. Akzeptieren Sie keine geheimschutzlichen Einstufungen durch Organe des Sicherheitsapparates, die an der Verhinderung der Aufklärung beteiligt sind. Und die sogar im Verdacht stehen, in die Mordserie verstrickt zu sein. Keine Aussagegenehmigungen, die nämlich immer Aussageeinschränkungen sind. Geheimschutz ist Täterschutz. Sie sind als Gremium des Parlamentes unabhängig und nicht der Exekutive nachgeordnet.

Auch nach drei Jahren wissen wir nicht, was der NSU-Komplex genau war und ist. Wir kennen aber Bestandteile: das sind Neonazis, der Verfassungsschutz, die organisierte Kriminalität sowie die Polizei. Wie sie zusammenhängen, das müssen wir alle herausfinden. Böhnhardt, Mundlos, Zschäpe waren ein Teil dieses Geflechtes.

Schlußbemerkungen.
Im Januar 2012 hat der Bundestag seinen Untersuchungsausschuß zum Thema NSU eingesetzt. Seine Fortsetzung ist nur eine Frage der Zeit. Im Februar 2012 folgte der U-Ausschuß in Thüringen, dessen Fortsetzung bereits beschlossen ist. Im April 2012 begann der U-Ausschuß in Sachsen, im Juli 2012 der in Bayern. Im Jahr 2014 rangen sich die Parlamente in Hessen, NRW und Baden-Württemberg zu einem U-Ausschuß durch. Nach drei versäumten Jahren.

Was geschah in Baden-Württemberg? Nach dem Bekanntwerden des NSU im November 2011 erklärte der Innenminister, alle Ermittlungen seien von da an darauf ausgerichtet gewesen, die Täterschaft von Böhnhardt und Mundlos nachzuweisen. Das war tendenziös – und ist gescheitert. Es erbrachte quasi sogar den Gegenbeweis. Ermittlungsbericht BKA, Oktober 2012, im Wortlaut: „Ein eindeutiger Nachweis, daß Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos am Tattag in unmittelbarer Tatortnähe in Heilbronn waren, konnte bislang nicht erbracht werden.“ Fragen Sie sich, warum die Bundesanwaltschaft das Gegenteil behauptet. Die Frage steht zwar nicht im Untersuchungsauftrag – aber sie steht für alle sichtbar im Raum

Vor zwei Jahren setzte der Innenminister dann die sogenannte Ermittlungsgruppe Umfeld ein, um den NSU-Komplex aufzuklären. Eine Ermittlungsgruppe, die ihren Namen nicht verdient hat. Sie hat nicht ermittelt, sondern lediglich Befragungen durchgeführt. Etikettenschwindel und Hochstapelei könnte man sagen. Etwa ein Drittel der KKK-Mitglieder (Ku-Klux-Klan) verweigerte gegenüber der EG schlicht die Antwort. KKK-Mitglied und V-Mann „Corelli“ wurde nicht mal angesprochen. Jetzt geht es nicht mehr.

Vor einem Jahr veröffentlichte der Innenminister den Bericht dieser EG Umfeld. Er wurde durch alle Fraktionen hindurch hoch gelobt. Besser könne es ein Untersuchungsausschuß nicht machen, erklärte ein SPD-Abgeordneter, der heute als Obmann hier in diesem UA sitzt. Im O-Ton sagte er unter anderem: „Der Bericht der EG Umfeld ist gerade deshalb so gut, weil er nicht alle Fragen beantwortet.“ Ähnlich der Obmann der FDP. Auch er sprach sich entschieden gegen einen Untersuchungsausschuß aus und sagte wörtlich: „Natürlich sind nicht alle Rätsel gelöst – sie können wahrscheinlich auch nicht gelöst werden.“ Und der CDU-Vertreter, der heute der stellvertretende Vorsitzende dieses UAs ist, meinte: Ein Untersuchungsausschuß bringe keinen Gewinn. Wie es weiterging, ist inzwischen Landesgeschichte: Nach der EG Umfeld kam die Enquetekommission, um zu verhindern, daß ein UA eingerichtet wird. Diese Kommission fiel zusammen wie ein Kartenhaus. Daß dann urplötzlich wie Phönix aus der Asche dieselben Abgeordneten einen NSU-Untersuchungsausschuß installierten, die ihn bis dahin energisch bekämpften, macht uns – macht mich – mißtrauisch.

Ich sehe ein Problem darin, wenn Abgeordnete ihr eigenes früheres Regierungshandeln aufarbeiten sollen.

Ich vermisse andererseits hier Abgeordnete, die in den letzten drei Jahren nicht untätig herumsaßen oder mauerten, sondern die sich bemühten aufzuklären. Zum Beispiel der Abgeordnete Daniel Lede Abal. Er forderte seit Jahren diesen U-Ausschuß. Er hat sich in der Materie kundig gemacht, Gespräche geführt, recherchiert. Vielleicht der Abgeordnete des Landtages, der sich am besten im NSU-Komplex auskennt. Er sitzt nicht in diesem Ausschuß, weil ihn der Bannstrahl der größten Fraktion traf. Er hat gelogen, richtig, das gehört sich nicht. Doch die CDU mißt mit zweierlei Maß. Die Unwahrheiten des Innenministers akzeptiert sie, sie passen ihr ins Konzept. Obendrein wage ich zu bezweifeln, daß einer Partei, die ebenfalls drei Jahre lang die Aufklärung verhinderte, die Legitimation fehlt, in dieser Weise zu richten. Wollte sie die Affäre benutzen, um einen qualifizierten Abgeordneten loszuwerden? Kurz: Beenden Sie den kleinkarierten Bannstrahl gegen Daniel Lede Abal und sorgen Sie dafür, daß er hier Platz nehmen und mitarbeiten kann. Sie brauchen seine Kompetenz. Sie haben keine Ressourcen zu verschleudern.

Vorletzter Punkt: Eine Initiative von Bürgern begleitet und beobachtet diesen Ausschuß kritisch. Protokolliert das Gesagte und kommentiert es. Das ist gut. Sehen Sie darin nicht lästige Störenfriede, sondern begreifen Sie diese Öffentlichkeit als Ihren Bündnispartner. Wir Journalisten, die Dutzende von engagierten Opferanwälten, Abgeordneten und auch tatsächliche Ermittler – wir allein können den NSU-Komplex nicht lösen. Wir brauchen die maximale Öffentlichkeit. Die Aufklärung muß zur nationalen Sache werden.

Und deshalb ein allerletzter Vorschlag: Übertragen Sie die Ausschußsitzungen live im Fernsehen und Radio.

20.2.2015, Thomas Moser